Die Leere macht das Buch

Prost

Prost wünscht Peter Nied!

Zeitgenossen, deren heimischer Bestand an Literatur nicht über einen IKEA Katalog hinaus geht, haben das Ende einer Ära noch nicht erfasst. Derzeit wird das Feld nach dem Tode von Marcel Reich-Ranicki und Hellmuth Karasek vollkommen neu bestellt.

Auf die beiden großen Kritiker war Verlass, man kritisierte knallhart und in aller Deutlichkeit. Für Reich-Ranicki war ein Buch keine Literatur, nein, es war ganz, ganz schrecklich und gehörte seiner Meinung nach in die Tonne. Etwas anders Karasek. Er hielt ein Buch für nahe der Grenzwertigkeit an einer Tonne und hatte den Begriff schrecklich schon verdient. Es soll ja Schriftsteller gegeben haben, die haben ihre neue Veröffentlichung verheimlicht, nur um nicht in den Reißwolf von Reich-Ranicki zu geraten. Es ging um Stil und Inhalte.

Wie sieht die Welt der neuen Kritiker nun aus. Das Literarische Quartett ist zur Bingo Runde verkommen, Kritiker Scheck genießt seinen Soloauftritt. Im nächsten Schritt kritisieren die Autoren ihre Bücher selbst mit Preisangabe. An die ganz großen Autoren traut man sich überhaupt nicht heran, die kritisierten Werke sind weichgespülte Hausfrauen-Lyrik bis hin zur Reisebeschreibung einer U-Bahn.

Selbstverliebte Kritiker, die ihr Lieblingswerk von Kollegen nicht kritisieren lassen. Hilfreich ist immer wieder die Standard-Ausrede: „Ja gut, ich habe Ihr Buch noch nicht gelesen.“ Der Kritik nicht fähig werden Romane vorgestellt, wie „Der Eremit in der Lesben WG“ oder Klassiker aus der Biologie „Das Leben einer Sackratte.“

Auffallend auch die Prioritäten der ausstrahlenden TV Sender. Es wird mehr Sendezeit für die Vorstellung der Kritiker benötigt, als für die kritisierten Bücher und deren Autoren. Ganz böse Mischung der neuen Kritiker sind Germanisten, die im Anschluss auch noch Psychologie und Philosophie studiert haben. Da sieht sich, der ohnehin desinteressierte Zuschauer, bestätigt, dass Bücher Scheiße sind.

Kein Zuschauer kennt die Runde der Kritiker, der nötige Pep fehlt ebenso wie die Kenntnisse einer Literatur. Alles geschwängert der Einfallslosigkeit. Ich würde Kritik an Kritikern ins Programm holen. Bürger aus Chorweiler kritisieren vor Ort: „Sprache professionell fördern: kompetent, vernetzt, innovativ.“ Das ist Kritik, das ist Literatur ganz nah dran, oder fast schon drin.

Ich wünsche mir sachlich diskutierende Personen mit Sachverstand: Claudia Roth und Edmund Stoiber, oder Berti Vogts und Bernd Lucke. Aber das ist das Schöne an einer Demokratie. Wir dürfen hoffen, dass das Bilderbuch eine Renaissance erlebt, oder schalten direkt zur Lindenstraße um.

Und für den ganz bescheidenen Geschmack gibt es noch die BILD.

Erstellt von am 05.10.2015.