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Solingen: Schlaganfälle gehören auf Stroke Units

Solingen/ Spezielle Therapien brauchen Spezialisten. Das gilt auch für die Akutversorgung von Schlaganfallpatienten. Doch darüber, wer diese Spezialisten sind, gibt es nach der Veröffentlichung des letzten AOK-Gesundheitsreports deutliche Fragezeichen.

Die AOK Rheinland/Hamburg bemängelt, dass landesweit nur etwa 75 Prozent der der akuten Schlaganfälle zur Behandlung auf die Stroke Unit gefahren werden. Städte wie Solingen oder Essen liegen trotz einer solchen Spezialstation für die Versorgung akuter Schlaganfälle in der eigenen Stadt noch deutlich unter dem statistischen Mittel.

„Die medizinische Studienlage ist unmissverständlich“, erklärt Gregor Hellmons, Sprecher der Geschäftsführung der Kplus Gruppe, die in der Solinger St. Lukas Klinik eine Stroke Unit betreibt. Die renommierte Cochrane Collaboration kommt im Jahr 2013 erneut nach der Auswertung von 28 Studien mit insgesamt 5855 Teilnehmern zu einem eindeutigen Ergebnis: Werden Schlaganfallpatienten statt in einer allgemeinen Klinik auf einer Stroke Unit behandelt, reduziert das die Sterblichkeit relativ um bis zu 46 Prozent, das Risiko einer Abhängigkeit im Alltag um 29 Prozent und die Notwendigkeit einer vollständigen Pflege um rund 25 Prozent – unabhängig von Geschlecht und Alter des Patienten. Gregor Hellmons: „Im Klartext heißt das, dass im Sinne der Patienten bei einem Schlaganfall-Verdacht kein Weg an einer Stroke Unit vorbeiführen darf.“

Die Entscheidung, welches Krankenhaus angefahren wird, trifft der Notarzt vor Ort – im Normalfall wird der Patient in die nächstgelegene Klinik gebracht. Ausnahmen bilden besondere Versorgungsaufträge und spezielle Therapien. Dazu zählt auch der Schlaganfall mit seinen besonderen zeitlichen und fachlichen Anforderung an Diagnostik und Therapie. „Der Notarzt trägt auch in der Entscheidung, in welches Krankenhaus die Patienten mit Verdacht auf Schlaganfall gebracht werden nicht nur für die akute Versorgung, sondern auch für die zukünftige Lebensqualität des Patienten eine große Verantwortung. Auch die AOK Rheinland/Hamburg sieht in ihrem Gesundheitsreport die Rettungsdienste in einer besonderen Verantwortung: Patienten mit Schlaganfällen seien in eine spezialisierte Klinik zu fahren – am besten in eine neurologisch geführte Stroke Unit.

Die Akutversorgung von Schlaganfall-Patienten wird in Nordrhein-Westfalen im Krankenhausbedarfsplan ausgewiesen, der sowohl die Häufigkeit der Erkrankung als auch die apparative und fachlich-personelle Expertise des Krankenhauses zugrunde legt. „Als Spezialisten für Gehirn und Nerven sind die Neurologen die Experten für den Schlaganfall“, spricht sich Gregor Hellmons für neurologisch geführte Stroke Units aus und liegt damit auf der Linie der AOK Rheinland/Hamburg.

Die Neurologen der Stroke Units sind wesentlicher Teil eines Teams aus Fachärzten anderer Disziplinen wie der Radiologie, speziell geschultem Pflegepersonal, Physiotherapeuten, Logopäden und Ergotherapeuten: Nur gemeinsam kommen sie zu den Ergebnissen, die von der Cochrane Collaboration veröffentlicht wurden. Stroke Units unterwerfen sich einer externen Qualitätsprüfung, die von der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft und der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe vorgegeben wird.

Im Gegensatz zu anderen Zertifizierungsverfahren werden hier nicht nur die Abläufe innerhalb der Schlaganfallbehandlung hinterfragt, sondern auch die Behandlungsqualität im ärztlichen, pflegerischen und therapeutischen Bereich von der Aufnahme bis zur
Entlassung kritisch hinterfragt und ausgewertet. Zeit spielt gerade in der Schlaganfallversorgung eine große Rolle. Gerade in der akuten Phase müssen die neurologischen Symptome einer Durchblutungsstörung im Gehirn, dem ischämischen Schlaganfall, zugeordnet werden.

Auch Gehirnblutungen, Lähmungen nach epileptischen Anfällen oder schwere Migräneattacken können einem Schlaganfall ähnliche Ausfälle hervorrufen, sind aber anders zu behandeln. Für eine sichere Diagnostik ist viel Erfahrung auf dem Gebiet der vaskulären Neurologie und der Neuroradiologie erforderlich. Liegt die Diagnose gesichert vor, müssen alle Räder ineinandergreifen und das Stroke Team eingespielte Abläufe schnell anwenden.
Neben dem Faktor Zeit spielt auch die Fachlichkeit in der akuten Schlaganfallversorgung eine große Rolle.

Will sich eine Stroke Unit zertifizieren lassen, gibt die Deutsche
Schlaganfall-Gesellschaft Mindestbesetzungen im ärztlichen, pflegerischen und therapeutischen Bereich vor. Gregor Hellmons: „Als Klinik müssen wir sicherstellen, dass ein Facharzt für Neurologie an sieben Tagen in der Woche 24 Stunden vor Ort zur
Verfügung steht.“ Konkret heißt das, dass mindestens sechs Fachärzte in der Abteilung zur Verfügung stehen müssen. Ein hoher Aufwand, der für die bessere Versorgung der Patienten betrieben wird.

Eine Übersicht der Stroke Units, die nach dem gemeinsamen Verfahren der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft und der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe zertifiziert sind, ist
auf den Seiten der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft hinterlegt:
www.dsg-info.de

Geschrieben von am 30.01.2014.

Ein Kommentar Solingen: Schlaganfälle gehören auf Stroke Units

  1. Klaus Boeltner

    02/02/2014 bei 16:35

    Danke für diesen aufklärenden Bericht. Im Ergebnis werden also mehr als 25% Schlaganfallpatienten ins Klinikum eingewiesen, obwohl dort eine optimale Versorgung n i c h t möglich ist. Solange dieser Mißstand akzeptiert wird, dürfte das Klinikum kein Interesse an einer Zertifizierung im Sinne der Patienten haben. Was zählt also für das Solinger Klinikum mehr? - Patientenwohl oder Gewinnmaximierung??