Anzeige

Eiseskälte ist unpraktisch

Es ist nicht auszuhalten. Badehose und Sonnenhut lagen praktisch griffbereit, die Sonnenmilch war bereits auf Ranzigkeit überprüft und die athletische Körperhaltung auf das Kommando „Achtung. Frauen“ vor dem ehrlichsten aller Kritiker, dem Spiegel, perfekt einstudiert und nun das: Der Winter ist da.

Aber wer bin ich, dass ich mir von derartiger Wetterkapriole mein Weltbild zerstören lasse, dass ich mir mein Traumschloss vom wärmenden Sommertag von Hoch Dieter in Schutt und Asche legen lassen würde? Wenn auch Väterchen Frost grimmig an mein Tor schlägt, mich ficht das alles nicht an, in keiner Weise.

Nun ist es einmal so, dass bei dieser Kälte allerlei Unannehmlichkeiten zum täglichen Tun zählen. Sicher sind die meisten von uns nicht mehr dem Zwang erlegen, im finsteren Hain Holz zu schlagen oder Kohle für das wärmende Feuerchen aufwendig durch den kniehohen Stollen im eigenen Garten aus dem irdenen Schoß zu tragen, aber ein gerüttelt Maß an Arbeit wartet trotzdem auf den Satten, der selbstgefällig und fett auf dem Sofa sitzend über den Obdachlosen sinniert und darüber, ob jener sich mit Hochprozentigem vor dem Kältetod schützt oder ob er vielleicht doch eine warme Decke besitzt.

Trunken schwankend, zwischen der laut rufenden Pflicht, Schnee zu schippen, Salz – pardon- Asche oder anderweitiges Streumittel auf dem Trottoir zu verteilen, und süßem Müßiggang in warmer Stube, findet sich aber auch immer die Mutter des Auswegs, das Maß der Vernunft, der mittlere Weg, der Kompromiss.

Draußen ist es glatt und selbst sitzt man im Warmen. Was also, wenn die nette Dame aus der Wohnumgebung auf ihrem wöchentlichen Wege beim Verteilen des mageren Wochenblättchens, das bei uns ohnehin meist die hochtrabende Aufgabe innehat die abgeschabten Schalen der mittäglichen Kartoffeln auf ihrem Weg alles Verderblichen zu umschlagen, auf vereistem Trottoir da nieder schlägt?

Sicher, man könnte sie durchaus pragmatisch vor das zugige Kellerloch schieben und sich der Freude anheim geben, dass es nun eine zugige Stelle weniger im trauten Heim gibt, aber wenn die Gute mit gebrochenem Oberschenkelhals, lauthals jammernd auf dem Kellerrost liegend, die Aufmerksamkeit der schon immer etwas merkwürdigen Nachbarn auf sich lenkt, wird dies dem den ansonsten tadellosen Eindruck des eigenen Heimes nicht zuträglich sein.

Also würde man die wöchentliche Botin der kommunalen Tristesse dem Medicus zuführen, dem Heiler, der jedes Weh und Au schnell und im sprichwörtlichen Handumdrehen wieder zu genesen versteht. Was will ich aber am Ende mit dieser Metapher sagen? Nun, die Moral der Geschichte ist so simpel wie der Winter selbst: Eis jedweder Form ist keinesfalls pragmatisch, denn es ist durchaus nicht richtig, Pragmatismus und Eiseskälte, insbesondere jene der sozialen Miteinanders, zu verwechseln. Eine Weisheit im Übrigen, welche sich wunderbar auf dem Umgang der Menschlein untereinander anwenden lässt, auch dann übrigens noch, wenn Väterchen Frost nicht mehr durch das Land zieht.

Geschrieben von am 01.02.2012.