Anzeige

Was macht ihr denn Silvester?

Der Mensch ist schon ein komisches Phänomen. Über das Jahr verteilt wuselt und wurschtelt er ohne Unterlass, stets in der Mission, Vorbereitungen für die als nächstes anstehende Festivität zu treffen, zu organisieren, zu tun und zu machen. Es gehört gesellschaftlich ja schon fast zum guten Ton, sich für Ostern, Weihnachten und andere Feiertage, völlig verrückt zu machen.

Doch nach dem erfolgreichen Abschluss der weihnachtlichen Zeit, welche dem Nervenkostüm im Allgemeinen zum Jahresabschluss noch einmal einen ganz besonders hohen Blutzoll abfordert, fällt der Mensch danach, gleich einer Tetraplegie, regelmäßig in ein großes schwarzes nachweihnachtliches Loch. Dabei ist das Jahr, und somit auch die Kakophonie der feierwürdigen Tage, noch gar nicht zu Ende, ganz plötzlich steht er vor der Tür - Silvester.

Nein, es handelt sich nicht um den gleichnamigen Mimen aus Hollywood, welcher weniger mit seiner Handwerkskunst, als vielmehr mit seinem Nachnamen beeindruckt, welcher mich unweigerlich immer an den Zuchthengst Acatenango vom Fährhof erinnert, welcher ja bekanntlich den Großen Preis von Baden 86 und 87 zweimal in Folge gewann. Hier ist der Jahreswechsel gemeint.

Während die eine Hälfte der Gesellschaft sich hier noch einmal mächtig aufbäumt um das alte Jahr mit einem grandiosen Paukenschlag zum Diabolus temporis praeteritum zu jagen, läuft die andere Hälfte, noch angeschlagen von der vorwöchentlichen Fressorgie, mehr oder weniger orientierungslos umher und sucht, gleich einem Kaleidoskop, den gesellschaftlichen Anschluss mit dem Satz, der fester Bestandteil eines jeden weichenden Jahres zu sein scheint: „Was macht ihr denn Silvester?“

Ja, ich gebe es zu, auch ich bin, außer in diesem Jahr, gerne ein Teil derer, die eher paralysiert vom Fressen und Saufen, durch die Zeit twasche ujl en nai, wie der gemeine Friese sagt, taumelt, und es nicht schafft, sich zum normalen Tagesablauf aufzuraffen. Das ändert sich am 31. schlagartig. Leben schießt in die müden Knochen, denn möge das alte Jahr auch noch so viele Stolpersteine in sich gehabt haben, in neuen Jahr wird alles besser.

Das ist natürlich nie der Fall. In der gleichen Regelmäßigkeit, in der sich die guten Vorsätze für das neue Jahr am 2. Januar verflüchtigen, schwindet spätestens am 3. des neuen Jahres der Glaube daran, es hätte sich irgendetwas, durch eine göttliche Fügung und wie durch Geisterhand, zum Besseren gewandelt. Vierzig Mal machte ich diese Erfahrung bereits, oft genug also, um in diesem Jahr nicht mehr auf die trügerischen Lockungen des süßen Nektars Hoffnung hereinzufallen. Dieses Jahr bin ich realistisch. Dieses Jahr bin ich realistisch! Ich falle nicht mehr auf die Fettnäpfe des Schicksals herein.

Man muss eben die guten Dinge sehen. Was bedeuten kleinere und mittlere Katastrophen schon im Rückblick, wenn sich der moderne Mann in der letzten Nacht des Jahres der traditionellen Herausforderung, dem Zünden teuer erstandener Knallkörper und Raketen, stellt. Es ist ja nicht auszudenken was dabei alles passieren kann. Regelmäßig beginnen einfacher strukturierte Zeitgenossen das neue Jahr als menschliche Flammenattraktion, weil sie mit der Bedienung der pyromanischen Herrlichkeiten im Suff völlig überfordert sind. Wenn derartige Zwischenfälle ausbleiben und die Silvesterparty nicht auf der Station für Brandopfer endet, dann ist das schon die halbe Miete für das neue Jahr. Was soll dann im neuen Jahr noch schief gehen? Also: Alles wird gut. Frohes neues Jahr!

Geschrieben von am 31.12.2011.

2 Kommentare Was macht ihr denn Silvester?

  1. burn

    02/01/2012 bei 17:01

    Gratuliere, schön geschrieben, korrekte Rechtschreibung und Interpunktion, gibt’s gar nicht mehr sooo oft heutzutag’.
    Frohes, äm, Neues :D

    • Thorsten Hausen

      03/01/2012 bei 07:52

      Vielen Dank, wir sind stets bemüht unseren Lesern eine Freude zu machen. :-)