Die zweite Kerze brennt. Und wäre dies nicht Hinweis genug das bald das Christkind wieder vor der Türe steht, so erinnern mich dicke Umschläge im Briefkasten, gefüllt mit vorgedruckten Überweisungsträgern und selbst gebastelten Gaben, in dieser besinnlichen Zeit Tag für Tag daran, dass Weihnachtszeit auch Spendenzeit ist.
Es ist ja auch unumgänglich in der besinnlichen Zeit, daran zu erinnern, dass der, der mehr hat dem der weniger hat, etwas abgeben sollte. Diesbezüglich ist das Gewissen ein unerfreulicher Begleiter im Nacken des Zeitgenossen, denn es vergällt einem die kulinarischen Genüsse schon dadurch, dass es einem lauernd auf den Schultern sitzend, nur all zu gern mahnend in die Suppe des Wohlstandes spuckt.
Mit dem Fuß gemalte Postkarten oder mit dem Mund geschnitzte Kerzenständer begleiten die pikfein geschriebenen Bittbriefe, die unser Gewissen strapazieren weil der maschinenlesbare Überweisungsträger, angetackert, mit dem Öffnen der Post in unseren Fokus fährt. Wie professionell die gebeutelten Künstler ausgestattet sein müssen, schießt es mir dann durch den Kopf, ähnlich dem Archimedes von Syrakus, als ihm der Ausruf des Heureka entfuhr.
Aber gerne lassen wir uns im Advent vom auf der Schulter sitzenden Gefährten namens Gewissen führen, wenn es darum geht, die fein säuberlich und computerlesbaren Überweisungsträger auszufüllen, um unseren schnöden Mammon dem Urheber der fußgemalten Postkarte oder dem mundgeschnitzten Kerzenständer anheim zu bringen. Und immer spenden wir gerade so viel, dass es uns nicht weh tut, aber doch so, dass sich das Gewissen zufrieden gibt, und sei es nur für ein paar Stunden.
Doch immer öfter regen sich Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieses Gebens. Im Hinterstübchen wird der freundliche Geber nie so ganz den Verdacht los, dass unsere von Herzen gegebene Gabe gar nicht beim bezweckten Adressaten ankommt, sondern unter Umständen, irgendwo in der Tasche dunkler Gestalten landet, welche lachend jenseits unserer Wahrnehmung, Lichtjahre entfernt, in einem anderen Sternensystem, ihre Taschen mit der Gutgläubigkeit der Menschen füllen, während unser Gewissen sich still und heimlich zum Humunkulus diaboli dieser Kreaturen verwandelt.
Damit mir der Gefährte im Nacken also nicht weiter mahnend in die Suppe spuckt, habe ich nun beschlossen, meine Suppe stets vor den 20 Uhr Nachrichten zu essen, vor dem Zeitpunkt also, an dem allabendlich das Zimmer durch das Fenster zur Tristesse der Welt, den Fernseher, vom Elend und Drohungen ehemaliger Politiker, ein Comeback an der Gesellschaft zu verüben, geflutet wird.
Denn mit gefülltem Wanst lässt sich das Elend der Welt besser ertragen und die Grübelei darüber, auf welchem Konto denn nun der weihnachtliche Spendengruß landen könne, quält uns weniger weil die Konzentration auf die Verdauung ihren Platz in unserer Wahrnehmung unmissverständlich fordert. Und schön sind die selbstgemalten Kärtchen und Kerzenständer allemal, auch wenn der Mammon im anderen Sternensystem landet. Vielleicht trifft es ja trotzdem zufällig den Richtigen. Besinnliche Zeit!